EWSA info: Wie kann die Zivilgesellschaft zu den EU-Beitrittsverhandlungen und zum künftigen EU-Beitritt der Westbalkanländer beitragen?

Ionut Sibian: Der EWSA ist fest davon überzeugt, dass die Zivilgesellschaft eine aktive Rolle im Erweiterungsprozess spielen muss, um die Kluft zwischen Politik und Menschen zu überbrücken. Außerdem kann sie dazu beitragen, die praktische Umsetzung von Grundsätzen wie Redefreiheit, Rechtsstaatlichkeit, Unabhängigkeit der Medien, Gleichbehandlung und Korruptionsbekämpfung zu überwachen.

Unser Ausschuss hat sich stets für eine systematische Einbindung der Organisationen der Zivilgesellschaft (OZG) in die Konzipierung, Planung, Umsetzung und Überwachung der Reformprozesse im Zusammenhang mit dem EU-Beitritt eingesetzt. Dieser Grundsatz sollte aber nicht nur für die Westbalkanländer gelten, sondern muss auch von den EU-Institutionen selbst in der Praxis angewandt werden.

In der im März 2021 verabschiedeten EWSA-Stellungnahme zum Thema „Stärkung des Beitrittsprozesses – Eine glaubwürdige EU-Perspektive für den westlichen Balkan“ haben wir der Europäischen Kommission empfohlen, die Zivilgesellschaft im Rahmen der neuen Verfahrensweise für die Erweiterung stärker anzuerkennen und ihr dabei eine gewichtigere Rolle einzuräumen. Damit könnten nicht nur politische, sondern auch wirtschaftliche und soziale Herausforderungen angegangen werden. Aus diesem Grund sollten der Aufbau der Kapazitäten der Sozialpartner und anderer OZG auf der nationalen Ebene ebenso wie die Erleichterung der regionalen Zusammenarbeit und des Erfahrungsaustauschs als Förderprioritäten der EU beibehalten werden.

Zudem haben wir die EU aufgerufen, OZG aus der Region regelmäßig mit der Erstellung von „Schattenberichten“ zur Lage der Demokratie zu beauftragen, um die Transparenz und Rechenschaftspflicht der politischen Eliten im Westbalkan im Auge zu behalten. Wir haben auch die Kommission aufgefordert, in den Länderberichten ihres jährlichen Erweiterungspakets – im Einklang mit den Leitlinien der GD NEAR sowie den strategischen Leitlinien für die Unterstützung der Zivilgesellschaft in der Erweiterungsregion für den Zeitraum 2021–2027 – ein klares System zur Überwachung des Umgangs der Regierungen der Westbalkanländer mit der Zivilgesellschaft zu schaffen. Dies würde die Grundlage für eine politische Reaktion im Fall von Rückschritten liefern, wobei die erzielten Fortschritte ganz konkret den Erweiterungsländern zugute kämen.

Welche Rolle kommt dabei dem vom EWSA initiierten Forum der Zivilgesellschaft des Westbalkans zu?

Das Forum der Zivilgesellschaft des Westbalkans ist Teil der Arbeit des EWSA in den Ländern der Region. Es ergänzt die bereits bestehenden bilateralen Arbeiten mit den Erweiterungsländern im Rahmen der Gemischten Beratenden Ausschüsse (GBA), die auf der Rechtsgrundlage der Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen eingerichtet wurden.

Das EWSA-Forum der Zivilgesellschaft findet seit 2006 alle zwei Jahre statt und bietet die Möglichkeit zum Gedankenaustausch über die aktuelle Lage, die Bedürfnisse und die Zukunft der Zivilgesellschaft im Westbalkan. Es bringt OZG aus den Ländern der Region, EWSA-Mitglieder, Vertreter von nationalen Wirtschafts- und Sozialräten und vergleichbaren Einrichtungen sowie Vertreter der EU-Organe und internationaler Organisationen zusammen. Die Teilnehmer richten ihre Empfehlungen an die Regierungen der Westbalkanländer und die EU-Organe. Das diesjährige Forum wurde am 30.September/1.Oktober im Vorfeld des Gipfeltreffens EU-Westbalkan, das am 6. Oktober im slowenischen Brdo stattfand, in Skopje abgehalten; die Schlusserklärung des Forums wurde vor dem Gipfeltreffen an alle Interessenträger weitergeleitet. Das Forum spricht auch Empfehlungen dazu aus, wie der EWSA seine weitere Zusammenarbeit mit der Region gestalten soll.

Ionut Sibian, Vorsitzender des Begleitausschusses EU-Westbalkan