Die spanische Stiftung Fundación Secretariado Gitano, die den ersten Preis erhielt, startete ihr Projekt Aprender Trabajando (Praktisches Lernen) 2013. In den zehn Jahren seit Beginn des Projekts hat mehr als die Hälfte der jungen Roma, die daran teilgenommen hat, einen Arbeitsplatz gefunden, und ein Drittel ist noch einmal zur Schule gegangen, um die obligatorische Sekundarstufe abzuschließen. Vor allem aber erklären 87 % der jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer, dass sich ihr Leben verbessert hat, und 94 % der Arbeitgeber, die sich in dem Projekt engagiert haben, wären bereit, es wieder zu tun. Raúl Pérez von der Stiftung erzählte uns mehr darüber.

EWSA info: Was war der Anstoß für Ihr Projekt bzw. Ihre Initiative?
Das Projekt Aprender Trabajando wurde 2013 während einer schweren weltweiten Wirtschaftskrise, die in Spanien u. a. hohe Arbeitslosenquoten nach sich zog, ins Leben gerufen. Die Arbeitslosigkeit hat den jüngsten Teil der Bevölkerung hart getroffen: Laut dem Jugend- und Arbeitsmarktbericht des spanischen Ministeriums für Beschäftigung und soziale Sicherheit von Juni 2014 lag die Jugendarbeitslosenquote 2013 bei inakzeptablen 55,48 %. Im Fall der spanischen Roma, von denen 60 % jünger als 30 Jahre sind und deren Arbeitslosenquote in der Regel dreimal höher ist als die der Allgemeinbevölkerung, wurde die Situation dadurch verschärft, dass sie häufig nicht über die obligatorischen Grundkompetenzen verfügen (nur 17 % schließen die Pflichtschulbildung ab) und weder eine Ausbildung noch Berufserfahrung haben (66 % der jungen Roma absolvieren weder eine Ausbildung noch arbeiten sie) (Vergleichsstudie über die Situation der Roma in Spanien in Bezug auf Beschäftigung und Armut (2018), Fundación Secretariado Gitano).

Um hier Abhilfe zu schaffen, wurden verschiedene Maßnahmen ergriffen, sowohl auf nationaler Ebene (z. B. die Strategie für Unternehmergeist und Jugendbeschäftigung 2013–2016) als auch auf EU-Ebene (z. B. die Jugendgarantie). Die Fundación Secretariado Gitano, die zu diesem Zeitpunkt Mittel aus dem operationellen Antidiskriminierungsprogramm des ESF erhielt, um Acceder, ein Ausbildungs- und Beschäftigungsprogramm für die Roma-Bevölkerung, zu entwickeln, konnte (dank dieser EU-Mittel) ein neues Ausbildungsmodell für junge Roma aus sozial schwachen Verhältnissen testen.

Wie wurde Ihr Projekt aufgenommen? Haben Sie Rückmeldungen von den Menschen erhalten, denen Sie geholfen haben? (Können Sie uns auch ein Beispiel nennen?)
In den zehn Jahren seines Bestehens wurden über das Projekt Aprender Trabajando mehr als 3 500 Roma unter 30 Jahren, die weder eine Schule besuchten noch eine Ausbildung absolvierten oder arbeiteten, als Begünstigte der nationalen Jugendgarantie ausgebildet. 55 % haben einen Arbeitsplatz gefunden und 32 % sind noch einmal zur Schule gegangen, um die obligatorische Sekundarstufe abzuschließen. Laut dem Kurzbericht 2013–2021 von Aprender Trabajando hat sich das Leben von 87 % der jungen Teilnehmer nach eigener Aussage verbessert und wären 94 % der Partnerunternehmen zu einer erneuten Zusammenarbeit bereit.

Im Folgenden berichten zwei ehemalige Schüler von Aprender Trabajando über ihre Erfahrungen; sie sind auch in dem zu unserem zehnjährigen Bestehen gedrehten Video (10 años. Aprender Trabajando, 2022
) zu sehen: „Ich war zwei Jahre lang arbeitslos. Wir haben unsere Wohnung verloren und zogen von einem Ort zum nächsten, ohne zu wissen, wo wir letztlich landen würden. Ich kam mit Aprender Trabajando in Kontakt, weil ich eine Ausbildung absolvieren und eine Stelle finden wollte.“ Das erzählt Manuel Lizárraga, der am Projekt Aprender Trabajando am Sitz der Fundación Secretariado Gitano in Burgos teilnahm. Derzeit arbeitet er bei der Firma Alcampo.
Maria Bruno erklärt stolz: „Ich möchte arbeiten und mein Potenzial genauso entfalten wie jeder andere. Roma zu sein, heißt nicht, dass das nicht möglich ist.“ Maria nahm über das in Getafe ansässige Unternehmen Bricodepot in Madrid an Aprender Trabajando teil. „Ich gehe wirklich gerne arbeiten. Ich mag den Ort und habe wunderbare Kollegen. Sie behandeln mich als Mensch, nicht als die Neue oder die neue Roma.“

Wie werden Sie das Geld verwenden, um den Bedürftigen weiterhin zu helfen? Planen Sie bereits neue Projekte?
Acceder und Aprender Trabajando waren von Anfang städtische Projekte. Sie konzentrieren sich häufig auf die Beschäftigung im Dienstleistungssektor, vorwiegend in spanischen Großstädten. All dies schränkt ihren Anwendungsbereich ein und lässt die Roma in ländlichen Gebieten außer Acht, die zwar im Hinblick auf Diskriminierung oder eingeschränkten Beschäftigungszugang mit ähnlichen Problemen wie in den Städten konfrontiert sind, aber nicht die gleichen Unterstützungsmöglichkeiten haben.

Eine Herausforderung bestünde deshalb darin, dafür zu sorgen, dass möglichst viele Roma diese Erfahrung machen können, und das Modell so anzupassen, dass diejenigen Gebiete erreicht werden, in denen zahlreiche Roma leben, die Organisation aber keine Büros hat (hauptsächlich ländliche Gebiete). Zudem gilt es, Unternehmen aus anderen Sektoren als dem traditionellen Handel und Gastgewerbe einzubinden.

Dazu ist beabsichtigt, wann immer die Umstände es zulassen, diese Mittel zur Finanzierung einer Studie (oder des Teils einer Studie) zu verwenden, mit dem Ziel, das Modell von Aprender Trabajando an das ländliche Umfeld und an neue Sektoren außerhalb von Handel und Gastgewerbe anzupassen.
Sollte es letztlich nicht möglich sein, die Mittel für eine solche Studie zu verwenden, werden sie durch Beschaffung von Material für die Aktivitäten der Theoriephase in das Projekt Aprender Trabajando selbst reinvestiert.

Welchen Rat haben Sie für andere Organisationen, damit deren Arbeit und Programme ähnlich erfolgreich werden?

  • Bei jedem Projekt zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt muss während des gesamten Planungs-, Durchführungs- und Überwachungsprozesses mit Unternehmen zusammengearbeitet werden.
  • Es ist wichtig, mit Pilotprojekten zu beginnen und für den Fall positiver Erfahrungen von Anfang an eine Ausweitung vorzusehen.
  • Es gilt, sowohl bei der NRO als auch beim Unternehmen Tutoren einzuplanen, und dafür zu sorgen, dass der Kommunikations- und Koordinierungsprozess zwischen beiden Seiten klar ist.
  • Mit der Kombination aus theoretischer und praktischer Ausbildung im realen Arbeitsumfeld lässt sich gewährleisten, dass die Ausbildung den Anforderungen des Arbeitsmarktes entspricht, und können die anschließenden Beschäftigungsmöglichkeiten verbessert werden.
  • Die Ausbildungsgänge und -verfahren sollten an die Bedürfnisse und Umstände der Zielgruppen angepasst werden, um sicherzustellen, dass diese gleichberechtigten Zugang zu Ausbildungs- und Beschäftigungsressourcen haben.

Tut die EU Ihrer Ansicht nach genug, um benachteiligte Jugendliche zu unterstützen? Haben Sie Ratschläge oder Empfehlungen für spezifische Maßnahmen?
Es müssen Mechanismen eingerichtet werden, um sicherzustellen, dass die Länder (auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene) wirksame Projekte zur Integration der am stärksten benachteiligten jungen Menschen in den Arbeitsmarkt durchführen und dass diese Projekte tatsächlich diejenigen erreichen, die sie am dringendsten benötigen, wie die Roma-Bevölkerung. Den Interventionen muss ein langfristiger Ansatz zugrunde liegen, um echte Veränderungen im Leben dieser jungen Menschen herbeizuführen.
Vielleicht könnten solche Projekte stärker durch europäische Fonds kofinanziert werden, um entsprechende Investitionen zu erleichtern.
Wenn europäische Finanzmittel im Zusammenhang mit Einstellungen genutzt werden (z. B. umfangreiche Investitionen, die im Rahmen von NextGenerationEU getätigt werden oder getätigt werden sollen), sollte die Aufnahme von Klauseln für die Einstellung benachteiligter Jugendlicher gefördert werden.