Judith Vorbach: Eine soziale Taxonomie für nachhaltige Investitionen

Ziel der EU-Taxonomie ist es, durch ein für Investoren und Unternehmen transparentes Klassifizierungssystem Investitionen in Richtung Nachhaltigkeit zu lenken. Im Mittelpunkt der Taxonomie-Verordnung der EU und ihrer Durchführungsrechtsakte stehen derzeit klima- und umweltpolitische Ziele, die durch soziale Mindestgarantien ergänzt werden. Der EWSA begrüßt natürlich die grünen Ziele, dringt aber auf ein ganzheitliches Nachhaltigkeitskonzept: die Taxonomie soll der ökologischen und der sozialen Nachhaltigkeit dienen.

Die sozialen Mindestschutzbestimmungen sind sinnvoll, reichen jedoch nicht aus, um soziale Nachhaltigkeit für Arbeitnehmer, Verbraucher und Gemeinschaften zu gewährleisten. Die geplante Sozialtaxonomie wird an Bedeutung gewinnen, wenn sie Teil einer auf soziale Nachhaltigkeit gerichteten Gesamtstrategie ist. Dies impliziert auch, dass die sozialen Wohlfahrt durch staatliche Ausgaben finanziert wird und die öffentlichen Investitionen eine wichtige Rolle spielen.

Der EWSA fordert die Kommission auf, den überfälligen Bericht mit den Bestimmungen zu veröffentlichen, die erforderlich wären, um den Anwendungsbereich der Taxonomie auf „andere Nachhaltigkeitsziele, einschließlich sozialer Ziele“, auszuweiten, wie es in der Taxonomie-Verordnung heißt. Der EWSA verweist auf die umfassenden Vorarbeiten der Plattform für ein nachhaltiges Finanzwesen und empfiehlt, an den vorgeschlagenen Zielen: gute Arbeit, angemessene Lebensverhältnisse und inklusive Gesellschaften im Rahmen eines Mehrebenenansatzes festzuhalten. Auch der anstehende Vorschlag für eine Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen wäre ein Gegenstück zu einer Sozialtaxonomie, anhand derer Tätigkeiten bewertet werden könnten. Der EWSA empfiehlt, mit einfachen Kriterien zu beginnen und die Verfahren verständlich und transparent zu halten. Es sollte eine enge Integration der Sozial- und der Umwelttaxonomie angestrebt werden, doch in einem ersten Schritt könnte ein gegenseitiger Mindestschutz sinnvoll sein.

Die steigende Nachfrage nach sozial ausgerichteten Investitionen sollte durch eine zuverlässige Taxonomie unterstützt werden, durch die Unternehmen, die sich um soziale Nachhaltigkeit bemühen, sichtbarer werden. Eine gut konzipierte Sozialtaxonomie wäre ein wirkungsvolles Mittel gegen „Social Washing“, bei dem Organisationen bei ihren Produkten und Dienstleistungen soziales Verantwortungsbewusstsein vortäuschen. Sie sollte einen Goldstandard darstellen, dessen Anspruch über das gesetzlich Geforderte hinausgeht. Sie sollte insbesondere auf die europäische Säule sozialer Rechte und die Ziele für nachhaltige Entwicklung, wie z. B. Ziel 8 „Menschenwürdige Arbeit“ Bezug nehmen. Die Sozialpartner und die Organisationen der Zivilgesellschaft sollten umfassend in die Gestaltung der Taxonomie einbezogen werden und über Beschwerdeverfahren verfügen. Wie bei der Umwelttaxonomie wird auch die Definition dessen, was in eine soziale Taxonomie aufzunehmen ist, kontrovers sein. Gerade deshalb sollten die Festlegungen in einem demokratischen Entscheidungsprozess getroffen werden. Der Erfolg der Taxonomie hängt von ihrer Glaubwürdigkeit ab, und die von ihr erfassten Tätigkeiten müssen einer allgemein anerkannten Definition von Nachhaltigkeit entsprechen.