Frage EWSA info: Welche Rolle sollten junge Menschen im ökologischen Wandel spielen?

Nicoletta Merlo: Junge Menschen können und müssen aus mindestens zwei Gründen eine wichtige Rolle im ökologischen Wandel spielen. Zunächst müssen wir bedenken, dass die Entscheidungen, die die Politik heute in Bezug auf Klima und Umwelt treffen, vor allem junge Menschen und künftige Generationen betreffen, die daher ein Mitspracherecht haben müssen.

Daneben muss berücksichtigt werden, dass die jungen Menschen am sensibelsten für die Notwendigkeit und sich dieser auch am stärksten bewusst sind, dass wir uns der Herausforderung des ökologischen Wandels stellen und uns für ökologische Nachhaltigkeit einsetzen müssen. In den letzten Jahren haben sich viele junge Menschen in ganz Europa für den Klimaschutz engagiert. Auf lokaler, nationaler und europäischer Ebene sind zahlreiche Umweltschutz- und Sozialbewegungen junger Menschen entstanden, die demonstrieren und konkrete Maßnahmen seitens der Regierungen und der Politik für Umweltschutz und Klimaneutralität einfordern.

Die Rolle junger Menschen beim Aufbau einer nachhaltigeren, inklusiveren und grüneren Welt wird zwar immer stärker anerkannt und das Jahr 2022 wurde zum Europäischen Jahr der Jugend ausgerufen wurde. Doch für junge Menschen ist es immer noch schwierig, sich Gehör zu verschaffen und an der Beschlussfassung mitzuwirken. Das gilt im Übrigen nicht nur für den ökologischen Wandel.

Ich denke, dass Jugendorganisationen in den Institutionen systematisch und strukturiert und nicht nur sporadisch zu Wort kommen sollten, damit sie einen qualifizierten und sinnvollen Beitrag zur Beschlussfassung auf allen Ebenen leisten und Ideen und Projekte für ökologische Nachhaltigkeit umsetzen können.

Dafür sollten die Institutionen zuallererst den Jugendtest annehmen, Jugendorganisationen angemessen strukturell und finanziell unterstützen und systematisch die wirtschaftlichen, politischen und sozialen Folgen von Investitionen für jüngere Generationen abschätzen. Außerdem sollten sie den jungen Menschen klar vor Augen führen, wie und in welchem Ausmaß öffentliche Maßnahmen ihr Leben positiv beeinflussen.

Bildung und Beschäftigung sind zwei weitere entscheidende Aspekte, die im Zusammenhang mit der Rolle junger Menschen im ökologischen Wandel zu berücksichtigen sind.

Angesichts des Klima- und Umweltnotstands sollte die Bildung für nachhaltige Entwicklung zu einer Priorität des Schulunterrichts werden. Die Bildung von Kindern für nachhaltige Entwicklung und Umweltschutz sollte so früh wie möglich ansetzen und während der gesamten Schulzeit fortgesetzt werden. Es bedarf eines bereichsübergreifenden Ansatzes zur Vermittlung theoretischer und praktischer Kompetenzen, unter anderem im Rahmen von Übergängen von der Schule ins Berufsleben und Berufspraktika. Auch lebenslanges Lernen ist wichtig, da der Erfolg des ökologischen Wandels u. a. davon abhängen wird, ob und wie die Schulen mit den lokalen Gebietskörperschaften im Bereich der außerschulischen Aktivitäten zusammenarbeiten. Dabei sollten insbesondere Jugendorganisationen und die organisierten Zivilgesellschaft einbezogen werden, um die Öffentlichkeit stärker zu sensibilisieren und zum Mitmachen motivieren.

2023 ist das Europäische Jahr der Kompetenzen. Ohne Kompetenzen kein Wandel. Es kommt entscheidend darauf an, jungen Menschen die erforderlichen Kompetenzen zu vermitteln, um mit den durch den ökologischen Wandel ausgelösten Innovationen Schritt halten zu können. Denn dieser Wandel prägt unausweichlich die Arbeitswelt von heute und morgen. Daher muss in Schulungs- und Lernformen im Arbeitsumfeld investiert werden, insbesondere in eine hochwertige Berufsausbildung und Praktika.

Der ökologische Wandel muss gerecht sein und eine Weiter- bzw. Neuqualifizierung der Arbeitnehmer gewährleisten. Es gilt, hochwertige Arbeitsplätze für alle sicherzustellen und dafür zu sorgen, dass niemand zurückgelassen wird. Fortbildungsmaßnahmen müssen daher unbedingt in die Industriepolitik integriert sein, mit anderen Entwicklungsstrategien abgestimmt und auf regionaler und lokaler Ebene detailliert konzipiert werden – in enger Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern.

Innovationen sind ein weiterer Schlüsselfaktor für den Erfolg des ökologischen Wandels. Um die Ziele erreichen zu können, müssen junge Menschen mit unternehmerischen Fähigkeiten unbedingt dazu ermutigt werden, sich dank spezieller Schulungen und Unterstützung für innovative Projekte am Innovationsprozess zu beteiligen. Dafür ist auch angemessene finanzielle Unterstützung sicherzustellen.