European Economic
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Lapinlahden Lähde: Kein Platz für Stigmatisierung und Diskriminierung
Das Krankenhaus Lapinlahti war Finnlands erstes psychiatrisches Krankenhaus und ist ein Symbol für die psychiatrische Versorgung des Landes. Im Jahr 2013 konnte es auf eine 170-jährige Geschichte zurückblicken, aber es stand leer und war in Vergessenheit geraten. Dann kam eine Gruppe von Aktivisten im Bereich der psychischen Gesundheit und krempelte die Ärmel hoch. Sie wollten aus dem heruntergekommen geschichtsträchtigen Ort ein offenes Zentrum für psychische Gesundheit, Kultur und Kunst machen. Siru Valleala vom Verein Pro Lapinlahti, der das Zentrum betreibt, berichtete uns, dass Lapinlahden Lähde jetzt in erster Linie ein inklusiver Ort ist, an dem kein Platz für Stigmatisierung und Vorurteile ist. Alle sollen sich dort willkommen fühlen.
Was war der Anstoß für Ihr Projekt bzw. Ihre Initiative?
Das Krankenhaus Lapinlahti ist das erste psychiatrische Krankenhaus Finnlands und stammt aus dem Jahr 1841. Doch 2013 stand es leer. Die Stadt Helsinki hatte keine Pläne, wie es damit weitergehen sollte. Die historische Stätte, die inmitten eines schönen Parks liegt, war dem Vergessen und dem Verfall preisgegeben. Diese traurige Situation war einer Gruppe von Aktivisten im Bereich der psychischen Gesundheit ein Ansporn, ihre Visionen und Träume für den Ort zu verwirklichen. Sie wollten das Krankenhaus Lapinlahti und seinen Park in ein offenes Zentrum für psychische Gesundheit, Kultur und Kunst verwandeln.
Das war der Anfang dessen, was heute als Lapinlahden Lähde („die Quelle Lapinlahti“) bekannt ist. Die Aktivitäten hatten ihren Ausgang in der historischen und architektonischen Bedeutung des Gebiets im Herzen der Lapinlahti-Bucht, hinter der 170 Jahre Arbeit zum Wohle der psychischen Gesundheit stehen. Der Schwerpunkt wurde von der Behandlung von Krankheiten auf die Förderung des Wohlergehens in allen Schichten der Gesellschaft verlagert. Lapinlahden Lähde ist heute ein lebendiges Vorbild im kontinuierlichen Kampf gegen die Stigmatisierung und steht für einen Paradigmenwechsel hin zur Förderung des Positiven.
In der Vergangenheit war Lapinlahti ein Ort, an dem die Psychiatrie große Fortschritte gemacht hat und ein Ort, an dem psychiatrische Behandlungen kontinuierlich weiterentwickelt wurden. Nun aber wollten die Aktivisten der 1988 gegründeten Vereinigung für psychische Gesundheit „Pro Lapinlahti“ (zur damaligen Zeit wurde Lapinlahti noch aktiv als Krankenhaus genutzt) ein innovatives Zentrum zur Förderung der psychischen Gesundheit aufbauen, das auf den gesamten Wissensschatz des 21. Jahrhunderts zugreift. Es sollte ein Ort erschaffen werden, der den konkreten Paradigmenwechsel von der Behandlung psychischer Erkrankungen zur Förderung des psychischen Wohlbefindens verkörpert.
Wie wurde Ihr Projekt aufgenommen? Haben Sie Rückmeldungen von den Menschen erhalten, denen Sie geholfen haben? Können Sie uns ein Beispiel geben?
Anfangs wagten sich die Menschen kaum durch das Eingangstor. Das Gebiet war, als es noch als psychiatrisches Krankenhaus diente, 170 Jahre lang für die Öffentlichkeit geschlossen. Trotz Interesse und Neugierde wollten die Leute nicht so recht glauben, dass sie dort willkommen sind und sich umschauen können. Doch dann kamen die Menschen allmählich zu den Aktivitäten und Veranstaltungen und fingen an, begeistert mitzuhelfen und sie weiterzuentwickeln. Es wurde Freiwilligenarbeit geleistet, und Ideen wurden ausgetauscht. Künstler und Darsteller kamen mit Ausstellungen und kulturellen Veranstaltungen nach Lapinlahden Lähde. Heute finden dort jährlich mehr als 400 Veranstaltungen statt, und es sind zwischen 50 bis 60 Kunstausstellungen zu sehen. Lapinlahti ist für alle Helsinkier zu einem offenen Lebensraum geworden, in dem das psychische Wohlbefinden gefördert und tagtäglich etwas gegen Einsamkeit und soziale Ausgrenzung unternommen wird.
„Als ich an dieser Initiative mitwirkte, fühlte ich mich sehr froh, dabei sein und helfen zu können, diesem Ort wieder neues Leben zu geben. Die Schwere ist wie weggeblasen.“ (Cresswell-Smith et al 2022)
Heute hat man im Krankenhaus Lapinlahti das Gefühl, geborgen zu sein und dazuzugehören. An diesem Ort fühlt man sich stets willkommen, ganz gleich, wie es einem gerade geht oder in welcher Lebenssituation man sich befindet. Lapinlahtis Vergangenheit als psychiatrisches Krankenhaus ist sinnstiftend. Hier darf man verletzbar sein; der Umgang mit psychischen Problemen ist offen und völlig einzigartig. Wir bauen auf einem starken Gemeinschaftsgefühl auf, jeder kann in einem sicheren Umfeld seine eigenen Stärken erkunden. Stigmatisierung und Diskriminierung haben hier nichts zu suchen. Wir in Lapinlahden Lähde sind stolz darauf, alle einzubeziehen.
Lapinlahtis Programm wurde gemeinsam mit dem Eigentümer, der Stadt Helsinki, entwickelt und bildet das Fundament für den gesamten Betrieb. Derzeit werden weitreichende politische Entscheidungen über die künftige Eigenverantwortung des Komplexes getroffen. Wir hoffen, dass der Erfolg der derzeitigen Maßnahmen in vollem Umfang berücksichtigt wird.
Wie werden Sie das Geld verwenden, um die Gemeinschaft weiter zu unterstützen? Planen Sie bereits neue Projekte?
Wir werden unsere Aktivitäten weiter ausbauen, damit noch mehr Menschen daran teilnehmen und davon profitieren können. Wir haben kürzlich ein spannendes Projekt für Menschen ins Leben gerufen, die sich in der Rekonvaleszenz psychischer Leiden befinden. Es zielt darauf ab, kulturelle Aktivitäten anzubieten und sogar ein Recht darauf zu schaffen. Insbesondere soll den Menschen dabei geholfen werden, herauszufinden, wie sie sich kulturell ausdrücken können und was für sie in Bezug auf die Kultur des psychischen Wohlbefindens und die Kunst funktioniert. Das großzügige Preisgeld, mit dem unsere Tätigkeit belohnt wurde, werden wir dafür verwenden.
Welche kollektiven Maßnahmen sind Ihrer Meinung nach erforderlich, um die häufig mit psychischen Problemen einhergehende Stigmatisierung zu verringern? Kann Kunst helfen, Menschen mit psychischen Problemen zu stärken?
Wir müssen Aktivitäten anbieten, die Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen und Hintergründen zusammenbringen. Man muss auf Tätigkeiten aufbauen, die nicht vom Gesundheitszustand oder den Lebensumständen abhängen. Das ermöglicht einzigartige menschliche Begegnungen und sinnvolle Verbindungen zwischen Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund. Die Erforschung der psychischen Gesundheit mit andersartigen Mitteln, darunter mithilfe der Kunst, hat das Bewusstsein und Verständnis geschärft. Kunst bietet außergewöhnliche Möglichkeiten, Menschen zusammenzubringen, und eröffnet neue Wege, sogar um mit schmerzhaften Problemen umzugehen. Kunst schafft Ausdrucksmöglichkeiten und Chancen für Menschen, gesehen und gehört zu werden. Im Gehört-Werden liegt eine Macht, die das Leben eines Menschen und seine Selbstwahrnehmung verändern kann.