European Economic
and Social Committee
Europas Sozialschutzsysteme unter Druck: Armutsüberwachungsbericht 2024 thematisiert derzeitige Herausforderungen
von der Gruppe Organisationen der Zivilgesellschaft
Am 8. April legte das Europäische Netz gegen Armut (EAPN) seinen jüngsten Armutsüberwachungsbericht „Towards a systemic approach to social protection“ vor.
Der Bericht, der erstmals auf einer gemeinsam mit der Gruppe Organisationen der Zivilgesellschaft des EWSA in Brüssel organisiertenVeranstaltung vorgestellt wurde, benennt die Herausforderungen, welche es zugunsten starker und resilienter Sozialschutzsysteme zu überwinden gilt. Dies ist in der derzeitigen Lage besonders wichtig: Die Wohlfahrtsstaaten der EU haben aufgrund nationaler Ausgabenbeschränkungen sowie steigender Verteidigungs- und Sicherheitsausgaben mit zunehmenden finanziellen Zwängen zu kämpfen.
Der auf den Erkenntnissen von 19 nationalen EAPN-Mitgliedsorganisationen beruhende Bericht verdeutlicht, dass ein systemischer Ansatz für einen umfassenden und wirksamen Sozialschutz, politische Maßnahmen erfordert, die in integrierte, langfristige Strategien im Einklang mit der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Dimension eingebettet sind. Diese Maßnahmen müssen auf soliden Fakten, Daten und einer konstruktiven Beteiligung der von Armut betroffenen Menschen beruhen.
Die nationalen EAPN-Netze äußern sich besorgt über die Kürzungen der Sozialausgaben. Besorgniserregend sind zudem Indikatoren wie die starke Nichtinanspruchnahme von Sozialleistungen hinsichtlich der Effizienz der Maßnahmen, welche die bedürftigen, anspruchsberechtigten Menschen nicht erreichen.
Dem Bericht zufolge wurde angesichts einer sich rasch verändernden, von Digitalisierung, Krieg, Bevölkerungsalterung und Klimawandel geprägten Welt nicht angemessen reagiert, weshalb es erneut eines systemischen Ansatzes für die Sozialpolitik bedarf.
Juliana Wahlgren, Direktorin des EAPN, hob die Dringlichkeit des Themas hervor: „Die EU muss den Wohlfahrtsstaat schützen und den Sozialausgaben Vorrang einräumen. Dementsprechend enthält der Armutsüberwachungsbericht u. a. Empfehlungen zum Mindesteinkommen, zur Wohnungskrise und zur Energiewende. Effizienz und Angemessenheit sind dabei von entscheidender Bedeutung. Im nächsten Jahr wird die Europäische Kommission die EU-Strategie zur Bekämpfung der Armut auf den Weg bringen. Diese kann jedoch nur dann erfolgreich sein, wenn die Mitgliedstaaten einen echten systemischen Ansatz für den Sozialschutz verfolgen. Da mehr als 20 % der EU-Bevölkerung von Armut bedroht sind, können wir uns eine Fortsetzung der fragmentierten Maßnahmen nicht leisten – der Sozialschutz muss stark, koordiniert und wirksam sein.“
Séamus Boland, Vorsitzender der Gruppe Organisationen der Zivilgesellschaft, erklärte: „Die Beseitigung der Armut erfordert ein entschlossenes Handeln aller Mitgliedstaaten. Armut ist in der EU großenteils generationenübergreifend und kann Kinder und ältere Menschen besonders hart treffen. In den Bereichen Bildung, Wohnraum und teure Energie bedarf es besonderer Maßnahmen, die auf die Schwächen des Systems abzielen. Andernfalls wird es für die EU als politische Einheit schwierig, das Vertrauen ihrer Bürgerinnen und Bürger zu wahren.“
Krzysztof Balon, stellvertretender Vorsitzender der Gruppe Organisationen der Zivilgesellschaft und Berichterstatter für die EWSA-Stellungnahme zur ersten EU-Strategie zur Bekämpfung der Armut, die in den politischen Leitlinien für die Europäische Kommission 2024-2029angekündigt wurde, betonte: „Eine wirksame EU-Strategie zur Bekämpfung der Armut muss auf den Erfahrungen der von Armut betroffenen Menschen aufbauen und ihren Bedürfnissen gerecht werden. Sie sollte auch die Organisationen der Zivilgesellschaft unterstützen und sie in die Konzipierung und Umsetzung geeigneter Projekte und Maßnahmen zur Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung einbeziehen.“
Die Stellungnahme wird auf der EWSA-Plenartagung am 16./17. Juli vorgelegt.