European Economic
and Social Committee
Das Scheitern des Binnenmarktes hätte einen zu hohen Preis
Von Emilie Prouzet
Die funktionalen Schwachstellen des Binnenmarktes wirken sich unmittelbar auf die Lebenshaltungskosten aus, und der EWSA sieht mit Besorgnis, dass sich die Lage zuspitzt. Für die meisten unserer Mitbürger, insbesondere junge Menschen, sind die Lebenshaltungskosten mehr denn je eine der wichtigsten Sorgen. Am stärksten betroffen sind die 94,6 Millionen Menschen in Europa, die von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht sind.
Nach Schätzungen des IWF entsprechen die nichttarifären Handelshemmnisse in der EU einem Zoll von rund 44 % auf Waren. Das ist dreimal so viel wie die Hemmnisse im Handel zwischen den US-Bundesstaaten, um diesen mittlerweile üblichen Vergleich heranzuziehen. Für den Dienstleistungsmarkt beträgt dieser Wert sogar 110 %!
Lebensmittel, Wohnen, Energie, Gesundheit, Bildung: Viele Bereiche sind betroffen. Hier sind bereits europäische Initiativen auf den Weg gebracht worden. Alle Akteure müssen jetzt die Ärmel hochkrempeln, die Mitgliedstaaten ebenso wie die privaten Akteure und die Europäische Kommission als Hüterin der Verträge. Ich möchte drei der wichtigsten Empfehlungen aus unserer Stellungnahme anführen.
Erstens müssen wir dringend gegen territoriale Lieferbeschränkungen und die nationale Marktsegmentierung durch private Anbieter vorgehen, die den Wettbewerb einschränken und zu höheren Preisen für die Verbraucher führen. Auf 14 Milliarden Euro belaufen sich laut einer Studie der Gemeinsamen Forschungsstelle die dadurch verursachten jährlichen Kosten für die Verbraucher. In Anbetracht der Inflation muss das Hauptziel nun darin bestehen, den Binnenmarkt zu verbessern. Die Kommission arbeitet derzeit an diesem Ziel, in erster Linie im Rahmen ihrer Taskforce für die Durchsetzung der Binnenmarktvorschriften. Das Problem ist zwar komplex, doch wurden bereits Vorschläge vorgelegt. Jetzt geht es für uns darum, deren Auswirkungen zu bewerten und rasch Fortschritte in diesem Bereich zu erzielen.
Wir schlagen außerdem vor, die Verfahren wegen nationaler Vorschriften, die gegen EU-Recht verstoßen, zu beschleunigen. Die Möglichkeit, im Falle eindeutiger Verstöße gegen EU-Recht einstweilige Verfügungen zu erlassen, sollte geprüft werden. Wir dürfen nicht zulassen, dass neue Barrieren errichtet werden. Der Protektionismus bestimmter Mitgliedstaaten hat unmittelbare Folgen. Wie sollen wir damit umgehen, dass Arzneimittel ggf. verfallen, ehe sie dorthin gelangen können, wo sie benötigt werden?
Und wir haben auch die Pflicht, einen ausgewogenen Ansatz zu finden, bei dem auf der einen Seite eine Aushöhlung der hohen Standards in den Bereichen Nachhaltigkeit, Soziales und Arbeitsschutz verhindert und auf der anderen unnötiger Verwaltungsaufwand reduziert und der grenzüberschreitende Handel erleichtert werden.