Energie – EWSA warnt vor neuen Abhängigkeiten

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Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) bezieht in einer auf seiner September-Plenartagung verabschiedeten Stellungnahme klar Stellung zum Thema Energie: Der Vorschlag der Kommission ist ein Schritt in die richtige Richtung, um die Energieunabhängigkeit der EU von Russland zu gewährleisten. Die Sofortmaßnahmen sollten jedoch weder zu neuen Abhängigkeiten führen noch die Bemühungen um eine möglichst baldige Klimaneutralität beeinträchtigen.

Der EWSA unterstützt den REPowerEU-Plan der Europäischen Kommission, der darauf abzielt, die EU unabhängig von Gas- und Erdölimporten aus Russland zu machen. Gleichzeitigt betont er, dass viele der Probleme, die jetzt dringend gelöst werden müssen, hätten vermieden oder zumindest eingegrenzt werden können, wenn – wie vom EWSA seit Jahren gefordert – die Abhängigkeit von Energieimporten vor Jahren verringert und der Energiemarkt vollendet worden wäre.

Ein Stresstest für Demokratie und Werte in Europa

In der auf der September-Plenartagung verabschiedeten Stellungnahme, die von Stefan Back, Thomas Kattnig und Lutz Ribbe erarbeitet wurde, spricht der EWSA Klartext: Das Zusammenspiel der wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der derzeitigen Krise könnte das demokratische System in Mitleidenschaft ziehen, wenn keine geeigneten Lösungen gefunden werden. Es müssen Sofortmaßnahmen zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit „zu möglichst erschwinglichen Kosten“ sowohl für die Verbraucher als auch für die Industrie ergriffen werden, die von den derzeitigen dramatischen Preiserhöhungen besonders hart getroffen werden. Andernfalls drohen soziale Unruhen.

Derzeit ist die europäische Gesellschaft von den dramatischen Preiserhöhungen übermäßig betroffen. Nach Ansicht des EWSA haben sich die meisten Politiker und große Teile unserer Gesellschaft durch die billige Versorgung mit fossilen Brennstoffen blenden lassen und keinerlei Vorsorge getroffen. Die derzeitige Situation ist die Folge dieser Nachlässigkeit.

Der Ausschuss bedauert, dass uns erst der Krieg in der Ukraine und die sich daraus ergebenden Schwierigkeiten im Zusammenhang mit russischen Energielieferungen dieses grundlegende Problem der Energieversorgungssicherheit vor Augen geführt haben und den Anstoß für die im REPowerEU‑Plan vorgeschlagenen Maßnahmen zur Gewährleistung der Unabhängigkeit von Energieeinfuhren aus Russland geben mussten.

In diesem Zusammenhang verweist der EWSA auf die Europäische Strategie für Energieversorgungssicherheit von 2014 und die Strategie für die Energieunion von 2015 (TEN/570 – Rahmenstrategie Energieunion), wonach die EU nach wie vor anfällig für externe Energieschocks ist. Die politischen Entscheidungsträger auf nationaler und EU-Ebene wurden aufgefordert, den Bürgern zu vermitteln, welche Entscheidungen mit der Verringerung unserer Abhängigkeit von bestimmten Brennstoffen, Energielieferanten und Versorgungswegen verbunden sind.

Weiteres Vorgehen: Stärkung der Energieeffizienz und Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien am Energiemix

Der REPowerEU-Plan der Europäischen Kommission ist ein Schritt in die richtige Richtung, um die EU vom Gas und Öl aus Russland unabhängig zu machen.

Er beruht auf einer Unterscheidung zwischen kurz- und mittel- und langfristigen Maßnahmen und ist in vier Bereiche gegliedert: Energieeinsparungen, Diversifizierung der Gaseinfuhren, Substitution fossiler Brennstoffe durch den beschleunigten Einsatz erneuerbarer Energien und Finanzierungslösungen.

Allerdings gibt der EWSA auch zu bedenken, dass diese Sofortmaßnahmen nicht zu neuen Abhängigkeiten führen und die Anstrengungen zur möglichst raschen Herstellung von Klimaneutralität nicht behindern dürfen. Die Kommission sollte eine geopolitische Strategie für Energieimporte entwickeln und dabei den Energie- und Klimanotstand berücksichtigen, bevor sie Energiepartnerschaften mit nichtdemokratischen oder politisch instabilen Ländern abschließt.

Der Ausschuss betont, dass die Dringlichkeit der Versorgungslage Flexibilität bei der vorübergehenden Nutzung fossiler und CO2-armer Brennstoffe erfordert.

Der EWSA unterstützt insbesondere:

den Vorschlag, das im Paket „Fit für 55“ vorgeschlagene Energieeffizienzziel von 9 % bis 2030 auf 14 % zu erhöhen,

die Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien am Energiemix der EU sowie nachdrücklich die Forderung der Kommission, den im REPowerEU-Plan vorgeschlagenen Anteil von 45 % in das Paket „Fit für 55“ aufzunehmen,

die Vorschläge in Bezug auf beschleunigte Genehmigungsverfahren für Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien und die Ausweisung von „go-to“-Gebieten für solche Projekte.

In seinen früheren Stellungnahmen hat sich der Ausschuss bereits mit den Maßnahmen befasst, die zur Abmilderung der Folgen des Krieges in der Ukraine für die Energiekrise ergriffen wurden, und arbeitet derzeit an den Empfehlungen zur Verwirklichung der Energiewende:

TEN/778 – REPowerEU: gemeinsames europäisches Vorgehen für erschwinglichere, sichere und nachhaltige Energie

TEN/779 – EU-Politik zur Speicherung von Gas

TEN/780 – Versorgungssicherheit und erschwingliche Energiepreise

TEN/783 – Beschleunigter Ausbau erneuerbarer Energien

TEN/784 – Energiemärkte

TEN/770 – Eine strategische Vision der Energiewende für die strategische Autonomie der EU

TEN/771 – Öffentliche Investitionen in Energieinfrastruktur als Teil der Lösung der Klimaproblematik

Hintergrund – Das Risiko der Energieabhängigkeit

Der EWSA hat in mehreren Stellungnahmen vor dem Risiko der Energieabhängigkeit gewarnt:

TEN/767 – Lage der Energieunion 2021

TEN/761 – Energiepreise

TEN/760 – Bedingungen für die soziale Akzeptanz der Energiewende und des Übergangs zu einer Niedrigemissionswirtschaft

TEN/732 – Überarbeitung der TEN-E-Verordnung

TEN/724 – Bericht über die Lage der Energieunion 2020 und Bewertung der nationalen Energie- und Klimapläne

TEN/717 – EU-Strategie zur Integration des Energiesystems

TEN/657 – Dritter Bericht zur Lage der Energieunion

TEN/623 – Energiepreise und -kosten

TEN/626 – Lage der Energieunion

Weitere Informationen finden Sie im Abschnitt Energie auf dem Internetportal der Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft (TEN).

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