EWSA: Neue Industriestrategie für Europa sorgt für dringend nötigen Paradigmenwechsel

Jetzt haben wir erstmals eine echte Strategie, mit der Europa seine industrielle Souveränität wiedererlangen kann, so der EWSA in seiner jüngst verabschiedeten Stellungnahme zu der vorgeschlagenen neuen Industriestrategie für Europa. Was noch fehlt, ist ein konkreter Aktionsplan mit praktischen kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen zum Erreichen der Ziele.

Der EWSA verweist auf mehrere Stärken der neuen Strategie im Vergleich zu ihren zahlreichen Vorgängern, insbesondere:

  • ein echter strategischer Ansatz zur Bewältigung der zweifachen digitalen und ökologischen Wende;
  • ein Fokus auf Industrieallianzen, um die Entstehung europäischer Marktführer zu fördern;
  • gelockerte EU-Vorschriften über die staatliche finanzielle Unterstützung für strategische Industrieprojekte und die Konzipierung von „Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse“;
  • die Nutzung der Regelungsbefugnisse der EU in den Außenbeziehungen;
  • der Schwerpunkt auf der Dekarbonisierung energieintensiver Industrien in Europa.

Die Hauptschwäche der Strategie sieht der EWSA darin, dass sie lediglich eine Auflistung künftiger Projekte enthält, anstatt einen kurz-, mittel- und langfristigen Aktionsplan mit jährlichen Zielen und Überwachungsverfahren zu bieten.

Der EWSA teilt die Auffassung der Kommission, dass das Zeitalter der Naivität in den internationalen Beziehungen vorbei ist. Freihandel ist gut und schön, aber Handel muss auch fair sein.

Wir sind der festen Überzeugung, dass eine industriepolitische Strategie Hand in Hand mit Außenhandel und Außenpolitik gehen sollte. Wer immer am Binnenmarkt teilnehmen möchte, sollte allen seinen Vorschriften nachkommen, auch dem Prinzip der Klimaneutralität, so Mihai Ivașcu, Berichterstatter für die Stellungnahme.

Die EU sollte nach Ansicht des EWSA alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente nutzen, um für die europäische Industrie gleiche Bedingungen wie für ihre Wettbewerber zu schaffen: Grenzanpassungsmaßnahmen, Einhaltung von Umweltstandards für Importeure, Subventionen für Ausfuhren mit geringem CO2-Ausstoß, handelspolitische Schutzinstrumente und Maßnahmen zur Beseitigung von Unterschieden bei den Preisen für CO2-Emissionen in Freihandelsabkommen.

Die Lehren aus der COVID-19-Krise

Die COVID-19-Krise hat für alle deutlich gemacht, dass Europa dringend eine solche Industriepolitik braucht. Die Pandemie hat zu einer massiven Rezession geführt: die Europäische Zentralbank prognostiziert für 2020 einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 8,7 %.

Es muss mit allen Mittel verhindert werden, dass der Verlust an Industrieproduktion dauerhaft wird. Der EWSA hält es für dringend erforderlich,

  • die Auswirkungen von COVID-19 auf die einzelnen Sektoren und Wertschöpfungsketten zu kartieren, ihren besonderen Bedürfnissen Rechnung zu tragen sowie Produktion und Beschäftigung wiederherzustellen;
  • integrierte industrielle Wertschöpfungsketten innerhalb der EU (wieder)aufzubauen, strategische Tätigkeiten zurückzuverlagern und die Versorgungssicherheit in Bereichen wie Energie, Gesundheitswesen und pharmazeutische Wirkstoffe zu gewährleisten.

Das bedeutet, Unternehmen, die Produktionskapazitäten nach Europa zurückverlagern, zu unterstützen, damit die EU wieder die Kontrolle über die Produktion erlangt und ihre zunehmende Abhängigkeit von der Einfuhr von wichtigen Komponenten wie Beatmungsgeräten, Masken und anderen Produkten, die in der COVID-19-Pandemie ans Licht kam, reduziert.

Eine Schlüsselrolle für die Zivilgesellschaft

Die den Sozialpartnern und den Organisationen der Zivilgesellschaft in der neuen Strategie zugedachte Schlüsselrolle für die Zukunft der europäischen Industrie ist sehr zu begrüßen. Der EWSA unterstreicht, dass ein konstruktiver sozialer und zivilgesellschaftlicher Dialog zur erfolgreichen Umsetzung der Strategie beiträgt.

Der soziale Dialog ist eine sehr wichtige Tradition unserer Industrie. Er hängt zusammen mit der Arbeitsqualität – der Qualität der Beschäftigung und der Arbeitsplätze. Europa sollte dies nicht über Bord werfen. Wir sollten dieses Erbe wirklich bewahren, erklärt der Mitberichterstatter der Stellungnahme, Dirk Bergrath. Für die kontinuierliche Veränderung unserer Welt in Richtung einer digitalen Zukunft sind die Errungenschaften des sozialen Dialogs von entscheidender Bedeutung.

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