EWSA-Forderung: Die EU braucht eine echte Strategie zur Integration des Energiesystems

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) unterstützt die Strategie der Kommission zur Integration des Energiesystems, warnt jedoch, dass die Frage der Energieversorgungssicherheit auf der Basis grüner Energie unbeantwortet bleibt.

Eine Integration des Elektrizitätssystems mit dem Wärme- und Verkehrssystem ist für die Zukunft unabdingbar, um das letztendliche Ziel der Verbesserung der Energieeffizienz und der Umstellung auf eine klimaneutrale Wirtschaft zu erreichen. Der EWSA unterstützt die Forderung der Europäischen Kommission nach einer Integration des Energiesystems und weist in seiner von Lutz Ribbe erarbeiteten Stellungahme, die auf der Plenartagung im Januar verabschiedet wurde, darauf hin, dass eine derartige Strategie zur Sicherung der Energieversorgung, zur Verringerung von Energieimporten und zur Verwirklichung erschwinglicher Preise für die europäischen Verbraucherinnen und Verbraucher beitragen könnte.

Allerdings bleibt die Kommission nach Sicht des EWSA eine Antwort auf die Frage schuldig, wie sie Versorgungssicherheit auf der Basis von CO2-freien oder -armen Energiequellen erreichen möchte. Lutz Ribbe hielt am Rande der Plenartagung fest, dass die Energiewende in Europa nur dann erfolgreich durchgeführt werden kann, wenn all Fragen beantwortet werden. So spricht die Kommission davon, dass 84 % des Strombedarfs aus erneuerbaren Energien gedeckt werden soll, lässt aber offen, aus welchen Quellen der übrige Strom erzeugt werden soll. Dies ist schlichtweg nicht akzeptabel. Die Versorgungssicherheit ist für die europäische Wirtschaft und die europäischen Verbraucher von fundamentaler Bedeutung, zumal davon auszugehen ist, dass der Strombedarf durch die Elektrifizierung der Wärmeversorgung und des Verkehrssektors trotz Effizienzfortschritten ansteigen wird.

Schwerpunkt erneuerbare Energien und Modernisierung der Infrastruktur

Der EWSA stimmt der Kommission zu, dass eine fehlende oder mangelnde Bepreisung von CO2‑Emissionen im Wärme- und Transportsektor ein gravierendes Problem für die Systemintegration ist. Zudem werden erneuerbare Energieträger nicht immer gegenüber fossilen Brennstoffen bevorzugt. In vielen Mitgliedstaaten führen hohe Abgaben für Elektrizität und überhöhte Netzentgelte zu Marktverzerrungen. In diesen Fällen ist die Nutzung von Überschussstrom für die Erzeugung von Wärme (Power-to-Heat) – die einfachste Form der Systemintegration – nicht wirtschaftlich darstellbar. Der EWSA fordert die Kommission daher auf, konkrete Lösungsvorschläge vorzulegen, anstelle das Problem einfach nur zu beschreiben und viel zu zögerlich und unkonkret zu bleiben.

Darüber hinaus erfordert eine Integration des Energiesystems in bestimmten Bereichen eine Modernisierung und Ertüchtigung und zuweilen auch einen Neubau der Energie-Infrastruktur. Hierfür sind gewaltige Investitionen notwendig, die wichtige Konjunkturimpulse zur Überwindung der durch die COVID-19-Pandemie ausgelösten Rezession setzen und faire Arbeitsplätze schaffen könnten. Grundlegende Investitionsentscheidungen müssen Teil eines umfassenden Infrastrukturplans und auf die Unterstützung der energie- und klimapolitischen Ziele ausgerichtet sein. Indes ist die Kommission auch in diesem Punkt deutlich zu unbestimmt.

Die Integration des Energiesystems als Innovationstreiber

Die Systemintegration kann der europäischen Volkswirtschaft einen Innovationsschub verschaffen und damit ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Hierfür muss die EU Digitalisierung und künstliche Intelligenz in den Mittelpunkt stellen, die für die bedarfsgerechte Bereitstellung von Energie für den Elektrizitäts-, Wärme- und Verkehrssektor einen entscheidenden Unterschied ausmachen kann. Dabei müssen jedoch ethische Probleme, vor allem bezüglich der Datensouveränität, berücksichtigt werden.

Energiemärkte müssen gänzlich neu konfiguriert und so ausgerichtet werden, dass sie die Bürgerenergie fördern und Verbraucher stärken. Die Systemintegration wird sehr viel schneller ablaufen, wenn die Verbraucher die Möglichkeit haben, ihre Rechte – auch als Prosumenten, Eigenerzeuger und Mitglieder von Erneuerbare-Energien-Gemeinschaften – auszuüben. Die öffentliche Hand nimmt bei der Versorgungssicherheit eine Schlüsselrolle ein. Die aktive Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger ist für die Integration des Energiesystems wesentlich: Die Bürger sind nicht nur Verbraucher, sondern stehen auch im Mittelpunkt der Energiewende und sollten die Umsetzung der EU-Strategie mitgestalten können.

Integration des Energiesystems – Hintergrund

Die Europäische Kommission erläuterte die EU-Strategie für die Integration des Energiesystems in ihrer Mitteilung von Juli 2020. Ihr Ziel ist die Verwirklichung der Systemintegration über die Verknüpfung verschiedener Energieträger, Infrastrukturen und Verbrauchssektoren zu einem effizienten, resilienten und sicheren Energiesystem und die Senkung der Kosten für die Gesellschaft. Die Strategie umfasst 38 Maßnahmen, die den Zielen des europäischen Grünen Deals Rechnung tragen. Ihnen gemein ist der Grundsatz „Energieeffizienz an erster Stelle“, d. h. in erster Linie eine wirksamere Nutzung lokaler Energiequellen in Gebäuden und Gemeinschaften.