Krisenchat.de gewinnt den EWSA-Preis der zivilgesellschaftlichen Solidarität für Deutschland

Der deutsche Beratungsdienst gehört zu den 23 Projekten aus der EU und dem Vereinigten Königreich, die für ihren herausragenden Beitrag zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie und ihrer verheerenden Folgen ausgezeichnet wurden.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) hat den Preis der zivilgesellschaftlichen Solidarität an Krisenchat.de vergeben – einem kostenlosen Dienst, der jungen Menschen rund um die Uhr psychologische und praktische Unterstützung und Zuspruch bietet und hierfür bei Jugendlichen beliebte Kommunikationskanäle wie WhatsApp oder SMS nutzt.

Der EWSA, eine beratende Einrichtung zur Vertretung der europäischen Zivilgesellschaft auf EU‑Ebene, begründete die Wahl von Krisenchat.de als besten deutschen Kandidaten für den Preis damit, dass er ein leuchtendes und bemerkenswertes Beispiel für Solidarität während der COVID‑19‑Krise ist.

Der permanent erreichbare Dienst mit über 100 Fachkräften aus den Bereichen Sozialarbeit, Pädagogik und Psychologie wurde im Mai 2020 ins Leben gerufen, um während der COVID‑19‑Pandemie für unter 25-Jährige mit psychischen Problemen da zu sein und mit ihnen über Themen wie Angst, Einsamkeit, Missbrauch, Depression und Suizidgedanken zu reden.

Krisenchat.de wurde auf einer virtuellen Preisverleihung des EWSA am 15. Februar als einer von 23 Preisträgern bekanntgegeben. Die Preisträger erhielten jeweils ein Preisgeld in Höhe von 10 000 Euro.

Der für Kommunikation zuständige Vizepräsident des EWSA Cillian Lohan wies bei der Preisverleihung darauf hin, dass

Solidarität und gezieltes gemeinsames Handeln, wie vom EWSA wiederholt betont, von entscheidender Bedeutung für die erfolgreiche Bewältigung einer solchen Pandemie sind: „Die einzig wirksame Reaktion auf eine Krise wie diese Pandemie ist rasches, entschlossenes und gemeinsames Handeln. Wir müssen daraus Lehren für den Umgang mit anderen – sozialen, wirtschaftlichen oder auch ökologischen Krisen – ziehen.

Die Zivilgesellschaft war bei allen Solidaritätsaktionen stets an vorderster Front dabei. Ohne ihre Unterstützung vor Ort wären die Auswirkungen dieser Pandemie noch viel verheerender. Die eingereichten Projekte verdeutlichen allesamt das selbstlose Engagement der Bürgerinnen und Bürger und Basisorganisationen und veranschaulichen den enormen Beitrag der Zivilgesellschaft zur Bewältigung dieser Krise. Mit diesem Preis würdigen wir die Menschen und Organisationen, die mit ihrem Engagement in diesen außergewöhnlichen Zeiten Positives bewirken. Es ist eine Ehre, dies gemeinsam mit Ihnen feiern zu können.“

Ausgezeichnet wurden Projekte aus 21 Ländern der Europäischen Union – darunter ein Projekt mit grenzüberschreitendem Schwerpunkt. Einer der Preise ging – als Ausdruck des Wunsches des EWSA, trotz des EU-Austritts weiterhin enge Beziehungen zur britischen Zivilgesellschaft zu pflegen – an eine Organisation aus dem Vereinigten Königreich.

Eigentlich wollte der EWSA jeweils einen Preisträger aus jedem der EU-Mitgliedstaaten sowie aus dem Vereinigten Königreich küren. Aus sechs Ländern wurden jedoch keine teilnahmeberechtigten Projekte eingereicht.

Die vollständige Liste der Preisträger finden Sie weiter unten sowie auf unserer Website.

Die Gewinner wurden aus insgesamt 250 Einreichungen von Organisationen der Zivilgesellschaft, Einzelpersonen und Privatunternehmen ausgewählt. Im Zentrum aller Projekte standen die Solidarität als treibende Kraft sowie kreative und wirksame Wege zur Bewältigung der oftmals verheerenden Folgen der Krise.

Die meisten Projekte wurden für schwächere Gruppen und die am stärksten von der Krise betroffenen Personen konzipiert – ältere bzw. junge Menschen, Kinder, Frauen, Minderheiten, Migranten, Obdachlose, medizinisches Personal sowie Arbeitnehmer und Arbeitgeber.

Inhaltlich liegt der Schwerpunkt der Projekte auf fünf Bereichen: Nahrungsmittelversorgung und ‑hilfe für besonders schutzbedürftige Gruppen, medizinische Ausrüstung, Beratung, Bildungsangebote, Informationen über die Pandemie sowie Kultur.

DER DEUTSCHE PREISTRÄGER

Krisenchat.de gehörte zu den Kandidaten mit dem Schwerpunkt „Beratungsdienste“. Dazu zählen Projekte, die Online-Unterstützung in verschiedenen Bereichen anbieten, darunter psychologische Beratung, Rechtsbeistand oder digitale Notfallhilfe für Opfer häuslicher Gewalt.

Als deutlich wurde, dass die COVID-19-Pandemie die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen erheblich beeinträchtigt – mit einer drastischen Zunahme ihrer Einsamkeit, Angst und Isolation – begann Krisenchat, Beratung über Messengerdienste anzubieten, die junge Menschen mittlerweile einem Telefongespräch vorziehen.

SMS und WhatsApp sind leicht zugänglich und ermöglichen aufgrund ihrer Anonymität und Flexibilität eine deutlich niedrigere Hemmschwelle. Da 50 % der Nachrichten an Krisenchat zwischen 20 Uhr abends und 2 Uhr nachts versandt werden – zu einer Zeit also, in der kein anderer nationaler Chat-Dienst zur Verfügung steht –, kann hier ganz offensichtlich eine Lücke geschlossen werden.

Im Rahmen seiner Öffentlichkeitsarbeit lenkt Krisenchat die Aufmerksamkeit auf diese Probleme und regt zum Gespräch an, um so auch zur Prävention beizutragen. Die Organisatoren hoffen, dass die digitale psychosoziale Erste Hilfe Teil der Gesundheits- und Kinderfürsorgesysteme werden wird.

„Wir freuen uns sehr auf die Diskussion darüber, wie Lösungen nach dem Vorbild von Krisenchat in anderen Ländern außerhalb des deutschsprachigen Raums in Europa umgesetzt werden können“, so Mitbegründer und Geschäftsführer Kai Lanz. „Wir wollen allen jungen Menschen helfen, die von den indirekten Folgen der Corona-Krise betroffen sind, und sie bei der Bewältigung von Depression, Angst, Einsamkeit oder Missbrauch unterstützen. Wir sind für sie da, wenn niemand anderes für sie da ist.“

Ausführliche Informationen über alle Preisträger und die anderen eingereichten Projekte finden Sie in unserer Broschüre, die auf Anfrage erhältlich ist.

Der EWSA hofft, dass der Preis der zivilgesellschaftlichen Solidarität nicht nur die ausgezeichneten Projekte ins Rampenlicht rückt, sondern die Öffentlichkeit auch stärker für die vielen anderen kreativen Bürgerinitiativen in der EU sensibilisiert.

„Heute würdigen wir nicht nur unsere 23 Preisträger. Wir ziehen den Hut vor der gesamten europäischen Zivilgesellschaft und den vielen Organisationen, Unternehmen und Einzelpersonen, die in dieser schwierigen, aufreibenden Zeit auf beispiellose Weise Solidarität, Mut und Bürgersinn bewiesen haben und dies auch weiterhin tun“, so Cillian Lohan.

Die Projekte und Initiativen einzelner Bürgerinnen und Bürgern und der Zivilgesellschaft haben die Anstrengungen der Mitgliedstaaten zur Abfederung der Krisenfolgen in vielerlei Hinsicht ergänzt – in einigen Bereichen, wie etwa der Herstellung von Mund-Nasen-Schutzmasken auf lokaler und regionaler Ebene, waren sie diesen damit sogar weit voraus.

Im Vergleich zu den Einreichungen der vergangenen Jahre für den Preis der Zivilgesellschaft verzeichnete der EWSA dieses Jahr mehr Bewerbungen informeller bzw. weniger fest etablierter Organisationen, was für die gelebte Solidarität vor Ort spricht. Außerdem gab es weniger Einreichungen aus manchen der Länder, die von der ersten Welle der Pandemie weniger hart getroffen wurden, sowie aus Ländern mit belastbareren Sozialsystemen.

KRITERIEN FÜR DIE PREISVERGABE

Der EWSA hat den Preis im Juli 2020 unter dem Motto „Die Zivilgesellschaft im Einsatz gegen COVID-19“ ausgeschrieben. Er war als einmaliger Sonderpreis anstelle des traditionellen EWSA‑Preises der Zivilgesellschaft gedacht. Ziel war es, der europäischen Zivilgesellschaft, die sich von Beginn der Pandemie an solidarisch gezeigt und selbstlos engagiert hat, Anerkennung zu zollen.

Bewerben konnten sich Einzelpersonen, Organisationen der Zivilgesellschaft und Unternehmen, deren Projekte ausschließlich gemeinnützig und zu höchstens 50 Prozent aus öffentlichen Mitteln finanziert sein durften. Außerdem mussten die eingereichten Projekte in direktem Zusammenhang mit der COVID-19-Krise stehen und konkret darauf abzielen, die Pandemie bzw. ihre Folgen zu bekämpfen.

Mit dem EWSA-Preis der Zivilgesellschaft werden jedes Jahr Organisationen der Zivilgesellschaft und/oder Einzelpersonen ausgezeichnet, deren Projekte in einem bestimmten Tätigkeitsbereich die europäische Identität und die gemeinsamen Werte hochhalten. Der Preis wird seit 2006 vergeben.

ALLE PREISTRÄGER DES EWSA-PREISES DER ZIVILGESELLSCHAFTLICHEN SOLIDARITÄT 2020:

LAND

PREISTRÄGER

ÖSTERREICH

Kommunikationswerkstatt Talk 27, ein Netzwerk zur Bekämpfung von Desinformation, Fake News und Falschinformationen über die Pandemie und zur Mobilisierung der Bürgerinnen und Bürger gegen emotionale und kognitive Manipulation

BELGIEN

OKRA, trefpunt 55+, eine Vereinigung, die mit der kreativen Initiative The resilience of OKRA auf die Pandemie reagierte, mit der ältere Menschen aktiv und sozial vernetzt gehalten werden sollen.

BULGARIEN

Karin dom, eine Stiftung, die Online-Unterrichtsangebote zur Unterstützung von Familien von Kindern mit besonderen Bedürfnissen bereitstellte.

KROATIEN

Hrvatska mreža za beskućnike, ein kroatisches Netzwerk, das Obdachlose unterstützte, als das Land in den Lockdown ging und später von einem Erdbeben heimgesucht wurde.

ZYPERN

Die Initiative Freiwillige für die Unterstützung gefährdeter Gruppen während der COVID-19-Pandemie wurde u. a. ausgezeichnet für die Versorgung von Menschen, die aufgrund ihres Alters oder gesundheitlicher Probleme isoliert waren, mit Nahrungs- und Arzneimitteln. Die Initiativen wurden von Erika Theofanidi koordiniert.

TSCHECHIEN

Nevypusť duši – eine Vereinigung von Ärztinnen und Ärzten, Psychologinnen und Psychologen und Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern, deren Online-Webinare Schülerinnen und Schülern in der Sekundarstufe dabei geholfen haben, psychische Probleme zu bewältigen und während der Pandemie psychische Belastbarkeit zu entwickeln.

FRANKREICH

Bouge ton Coq, eine Plattform, die darauf abzielt, den ländlichen Raum in Frankreich lebendig zu halten, für ihre Initiative „C’est ma tournée!“ (Diese Runde geht auf mich!), die Geschäfte und Unternehmen auf dem Land unterstützt hat, die während der Pandemie Schwierigkeiten hatten, ihre Kosten zu stemmen.

DEUTSCHLAND

Krisenchat, ein Rund-um-die-Uhr-Beratungsdienst, der jungen Menschen und Kindern über WhatsApp oder SMS kostenlose praktische Unterstützung und Trost bot.

GRIECHENLAND

Steps, eine gemeinnützige Organisation, die ihr bestehendes One-Stop-Projekt mit einer einzigen Anlaufstelle in ein Projekt mit „Many Stops“, also vielen Anlaufstellen, umgewandelt und warme Mahlzeiten, Wasserflaschen und Hygieneartikel für Menschen, die auf der Straße oder in prekären Wohnverhältnissen leben, bereitstellt.

UNGARN

Magyar Helsinki Bizottság oder ungarisches Helsinki-Komitee, das kostenlosen Rechtsbeistand in Menschenrechtsfällen im Zusammenhang mit der Krise bot.

IRLAND

Alison – eine Plattform für kostenlose Online-Kurse & Online‑Lernen – für das Projekt Coronavirus - Was Sie wissen müssen, einen kostenlosen Kurs zu Fakten in Bezug auf COVID‑19, der in über 60 Sprachen übersetzt wurde und weltweit mehr als 350 000 Mal angesehen wurde.

ITALIEN

Casetta Rossa, ein gemeinnütziger Verein, der Lebensmittellieferungen an schutzbedürftige Menschen mit einem Radiosender kombiniert, der Informationen und Berichte von Betroffenen sendet, um die Stimmung zu heben.

LITAUEN

Die Kommunikationsexpertin Karolina Barišauskienė für ihr Projekt Priešakinėse linijose (an vorderster Front), eine digitale Kampagne mit Berichten und Einblicken von Gesundheitspersonal an der Corona-Front.

MALTA

Maltesische KMU-Kammer für ihr Projekt With You All the Way, das Online-Beratung und Peer-Unterstützung bot, um Tausenden von KMU bei der Anpassung an die Pandemie zu helfen.

POLEN

Krystyna Paszko, Schülerin der Sekundarstufe, die den Online‑Shop Chamomiles and Pansies gegründet hat, der Opfern häuslicher Gewalt während des Lockdowns einen Rettungsanker bietet.

PORTUGAL

Vizinhos à Janela, eine Nachbarschaftsinitiative von Íñigo Hurtado, die durch tägliche Balkonkonzerte und Lebensmittellieferungen an Bedürftige geholfen hat.

RUMÄNIEN

Asociatia Prematurilor, die rumänische Vereinigung für Frühgeborene, für ihr Projekt Hilfe für Gesundheitspersonal und Frühgeborene auf Entbindungsstationen – Schutzausrüstung und Ausrüstung gegen COVID-19 auf Entbindungsstationen.

SLOWENIEN

Društvo psihologov Slovenije, eine Vereinigung slowenischer Psychologinnen und Psychologen, für ihr Projekt Psychosoziale Unterstützung für alle und professionelle Hilfe für Psychologen und anderes Gesundheitspersonal während der COVID-19-Pandemie in Slowenien

SLOWAKEI

Die gemeinnützige NRO Človek v ohrození für ihre Initiative Ihre Gesundheit ist auch unsere Gesundheit, die stark betroffene Roma-Gemeinschaften unterstützt und ihnen durch die Pandemie geholfen hat.

SPANIEN

Asociación de Familias y Mujeres del Medio Rural (AFAMMER), eine Vereinigung von Familien und Frauen im ländlichen Raum, für ihr Projekt AFAMMER Netzwerk für gelebte Solidarität auf dem Land, das Hunderte Frauen im ländlichen Spanien zusammengebracht hat, die ihre Zeit und ihre Nähkünste eingebracht haben, um Schutzmasken zu nähen und isolierten älteren Menschen während der Pandemie zu helfen.

SCHWEDEN

Gemeinschafts- und Kunstraum und gemeinnütziges Unternehmen Blivande für das Projekt Crisis Response – eine Open-Source-Initiative zur großmaßstäblichen Herstellung von persönlicher Schutzausrüstung.

VEREINIGTES KÖNIGREICH

Cherwell Collective, CIC, für ihr Projekt „Live, Learn, Eat, Grow“, über das Bedürftige mit Lebensmitteln und anderen lebenswichtigen Gütern versorgt wurden und den Anwohnern beigebracht wurde, wie sie ihr eigenes Gemüse anbauen können.

GRENZÜBERSCHREITEND/EUROPÄISCH

Die in Italien beheimatete NRO Emergency für die in Europa und weltweit geleistete Hilfe bei der Eindämmung der Pandemie, insbesondere durch ihr Replicable Model of Safety and Protection Measures, ein skalierbares Modell für die Gestaltung und Verwaltung von Krankenhäusern während der Pandemie.

Work organisation