EU-Kommissar Oettinger diskutiert mit dem EWSA-Plenum über den mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2017
Die Verhandlungen für den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) und die Europawahl fallen in eine Zeit, in der die Europäische Union an einem Scheideweg steht. Von zunehmender Europaskepsis bis hin zur Bewältigung der Migration steht die EU vor einer Vielzahl politischer und sozioökonomischer Herausforderungen, die zum Teil sogar die EU an sich in Frage stellen.
In diesem bedeutsamen Moment betonte der EWSA in der Debatte mit Günther Oettinger (dem für Haushalt und Personal zuständigen Mitglied der Europäischen Kommission) auf seiner Plenartagung, dass der künftige Haushalt auf diese Herausforderungen zugeschnitten sein muss, und plädierte für eine ehrgeizige Zusage seitens der Mitgliedstaaten von mindestens 1,3 % des Bruttonationaleinkommens (BNE) für den nächsten Finanzrahmen. Von einer Einigung über eine solide Mittelausstattung für 2021-2027 vor der Europawahl im Mai 2019 würde ein wichtiges politisches Signal ausgehen. Sie würde zudem gewährleisten, dass wichtige Ausgabenprogramme unverzüglich anlaufen können.
Zu Beginn der Debatte ging EWSA-Präsident Luca Jahier auf die schwierigen Umstände ein, unter denen die Europäische Kommission den Haushaltsplan aufstellen musste. Seiner Ansicht nach, greife der Haushaltsplan allerdings nicht weit genug. Wir brauchen einen robusten Haushalt, wenn wir vor den Wahlen 2019 eine Botschaft der Hoffnung, der Zuversicht und des Optimismus für Europa und die Zukunft der Europäerinnen und Europäer aussenden wollen,
sagte er. Ein ehrgeiziger Haushalt wäre nun mehr denn je nötig.
Javier Doz Orrit, Berichterstatter für die diesbezügliche EWSA-Stellungnahme, sagte: Wir unterstützen die Struktur und die Prioritäten des Kommissionsvorschlags, ebenso wie die Maßnahmen zur Vereinfachung, für mehr Flexibilität und Synergien. Kürzungen hingegen bringen uns nicht weiter! Eine weitere Reduzierung der Mittel kann angesichts der derzeitigen wirtschaftlichen Lage der EU nicht hingenommen werden.
Der EWSA setze sich im Einklang mit dem Europäischen Parlament für einen Haushalt in Höhe von mindestens 1,3 % des BNE ein. Damit wäre die EU besser in der Lage, die gegenwärtigen und künftigen Herausforderungen in Angriff zu nehmen und den verschiedenen gesellschaftlichen Bedürfnissen gerecht zu werden.
In seiner Rede über den Aufbau und die Ziele des Kommissionsvorschlags verteidigte Günther Oettinger die geplante Kürzung der Mittel von 1,16 % auf 1,11 % des BNE. Grundlage für diese Entscheidung sei der bevorstehende Austritt Großbritanniens, des zweitgrößten Nettozahlers der EU, wodurch Mittel in Höhe von ca. 84 Mrd. EUR für den nächsten Zeitraum wegfallen, sowie die mangelnde Bereitschaft einiger Mitgliedstaaten, einen größeren Beitrag zu leisten. Der Kommissionsvorschlag müsse ambitioniert, aber auch realistisch sein, damit er letztlich einstimmig angenommen werden könne. Für EU-Kommissar Oettinger ist ein Haushalt von mehr als 1,114 % des BNE einfach nicht erreichbar.
Redner aller drei Gruppen des EWSA, die Arbeitgeber, Arbeitnehmer und verschiedene Interessen in Europa vertreten, machten deutlich, dass sie in Anbetracht der Herausforderungen der EU eine erhebliche Kürzung der Mittel für die Kohäsionspolitik oder die gemeinsame Agrarpolitik (GAP) keinesfalls akzeptieren können. Dennoch räumten sie ein, dass diese Politiken reformbedürftig seien. Sie betonten den Bedarf an Mitteln für die ländliche Entwicklung und zur Verringerung der Ungleichheiten zwischen den Mitgliedstaaten.
Der Berichterstatter des EWSA, Javier Doz Orrit, verwies auf die sozialen Folgen der Krise und die bestehenden Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten. Beide Politiken müssten mindestens ihre derzeitige Mittelausstattung behalten. Zusätzlich sollte ein spezifisches Programm eingeführt werden, um die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte zu unterstützen.
Wenn man um Kürzungen schon nicht herumkommt, sind sie natürlich auch in diesen beiden großen Bereichen unvermeidlich,
antwortete Kommissionsmitglied Oettinger im Hinblick auf die Kohäsionspolitik und die GAP. Er bedaure die Kürzungen, halte sie jedoch für angemessen. Wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt, Solidarität zwischen stärkeren und schwächeren Regionen sowie Nachhaltigkeit, dies seien nach wie vor die Prioritäten der Kommission, was sich auch in weniger einschneidenden Kürzungen für den ESF+ widerspiegele. Er hob hervor, dass die Kürzungen eine logische Folge des Brexit und der notwendigen Einführung neuer politischer Prioritäten wie Grenzschutz, Migration, Entwicklungshilfe und Verteidigung seien. Strukturelle Einsparungen und höhere Beiträge der Mitgliedstaaten würden jeweils zur Hälfte die durch den Brexit entstehende Finanzierungslücke ausgleichen.
In seiner Stellungnahme unterstützt der EWSA die Einführung neuer Eigenmittel, um die Einnahmen im Haushalt zu erhöhen. Er ist der Ansicht, dass die Vorschläge der Kommission nicht weit genug gehen, und plädiert im Einklang mit den Vorschlägen der Hochrangigen Gruppe „Eigenmittel“ unter dem Vorsitz von Mario Monti dafür, eine Körperschaftsteuer auf der Grundlage der gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) sowie Steuern auf Finanztransaktionen und Kohlendioxidemissionen einzuführen. Der EWSA macht jedoch auch auf die Schwierigkeit aufmerksam, diese Mittel rechtzeitig zu etablieren.
In der auf Oettingers Ausführungen folgenden Debatte machten Redner des Ausschusses deutlich, dass man sich mit der Kommission darin einig sei, dass die EU über ausreichende Mittel verfügen müsse. Die Bereitschaft des EU-Kommissars, Ideen für eine weitere Vereinfachung und mehr Flexibilität aufzugreifen, sowie das Ziel der Kommission zur Erhöhung der Ausgaben für Maßnahmen mit hohem europäischem Mehrwert (Forschung und Innovation, transeuropäische Netze, Erasmus) wurden begrüßt.
Bei einigen Programmen wurde die Mittelzuweisung hingegen kritisiert: Die Mitglieder verlangten mehr Mittel für den ESF+ und noch mehr Flexibilität bei kohäsionspolitischen Finanzierungen. Hervorgehoben wurde der Bedarf an angemessenen Ressourcen zur Einhaltung der internationalen Klimaschutzvereinbarungen und zur Bewältigung der Digitalisierung. Dementsprechend sollten die Mittel für den Globalisierungsfonds weiter aufgestockt werden. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass Finanzierungen durch eine Verknüpfung der Programme effizienter werden können.
Die Redner begrüßten den abschließenden Aufruf Oettingers, sich für eine rechtzeitige Einigung auf einen ambitionierteren Haushalt einzusetzen. Sie wollen sich gemeinsam mit dem Europäischen Parlament und dem Ausschuss der Regionen für einen ehrgeizigeren Haushalt einsetzen, dabei aber die positiven Aspekte des Vorschlags der Kommission unterstützen. Entscheidend sei jetzt die Kommunikation mit den Mitgliedstaaten, um sie zu mehr Einsatz nicht nur für das europäische Projekt, sondern auch für den notwendigen umfangreicheren Haushalt zu bewegen.
Nach der Debatte mit Günther Oettinger wurde die Stellungnahme vom Plenum des EWSA nahezu einstimmig verabschiedet. Auf den nächsten Plenartagungen werden weitere Stellungnahmen des EWSA zu den sektorbezogenen Vorschlägen der Kommission für Ausgabenprogramme im MFR 2021-2027 erörtert und verabschiedet.
Lesen Sie hier die Erklärung von EWSA-Präsident Luca Jahier zum MFR-Vorschlag der Europäischen Kommission für 2021-2027 und sehen Sie sich die Erklärung des EWSA-Berichterstatters Javier Doz Orrit auf Video an.