Empfehlungen des EWSA für die künftige Wirtschaftspolitik der EU und die Steuerung der WWU

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Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) hat auf seiner Plenartagung im Juli Vorschläge für die wirtschaftspolitische Agenda der kommenden Legislaturperiode (2019-2024) vorgelegt und empfohlen, dass sie die Grundlage für eine neue europäische Wirtschaftsstrategie bilden sollten. Die Vorschläge des EWSA zielen darauf ab, innerhalb eines verbesserten Governance-Rahmens für die Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) eine widerstandsfähigere und tragfähigere EU-Wirtschaftspolitik zu gestalten.

Um die Widerstandsfähigkeit gegenüber Krisen zu stärken und die Tragfähigkeit des Wirtschaftsmodells zu erhöhen, sollten die künftige Wirtschaftspolitik und die wirtschaftspolitische Steuerung nach Auffassung des EWSA den geopolitischen und gesellschaftlichen Herausforderungen stärker Rechnung tragen. Dazu gehören der weltweite Konjunkturrückgang, ungelöste Handelsstreitigkeiten, der Brexit, der Klimawandel und der demografische Wandel, die wachsenden Ungleichheiten zwischen den Mitgliedstaaten und Regionen sowie innerhalb der Gesellschaften, die vierte industrielle Revolution und andere globale und europäische Risikofaktoren.

Diese Herausforderungen erfordern eine weitreichende europäische Wirtschaftsstrategie. Klare politische Ziele und ein kohärenterer Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung sind erforderlich, um negative Trends umzukehren. Die politischen Institutionen sowie die wirtschaftlichen und sozialen Akteure müssen darauf vorbereitet sein, diesen Herausforderungen zu begegnen, indem sie die notwendigen Veränderungen antizipieren und die Transformationsprozesse lenken.

Javier Doz, Berichterstatter des EWSA für die Stellungnahme zum Thema „Eine krisenfestere und nachhaltige europäische Wirtschaft“, sagte zu den Kommissionsvorschlägen: In erster Linie sollten wir uns weiterhin und in verstärktem Maße darum bemühen, das institutionelle Gefüge der Wirtschafts- und Währungsunion zu stärken. Wir brauchen jedoch auch Maßnahmen zur Verringerung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten‚ da sie die politische Tragfähigkeit der EU und ihren gesamten Nutzen für die Bürger gefährden.

Judith Vorbach‚ EWSA-Berichterstatterin für die Stellungnahme zum Thema „Eine neue Vision für die Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion“, hierzu: Wir brauchen deutlich ambitioniertere Schritte im Rahmen der WWU-Reform, um eine besser integrierte, demokratischere und sozial besser entwickelte Union zu verwirklichen. Alle vier Säulen der WWU – die geldpolitische und finanzielle, die makro- und mikroökonomische, die soziale und die politische Säule – müssen in ausgewogener Weise gestärkt werden.

Darüber hinaus weist der EWSA in seinen Stellungnahmen darauf hin, dass die Widerstandsfähigkeit gegen Krisen eine zwar notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung für die Vollendung der WWU ist: Eine positive Vision bezüglich der künftigen Entwicklung der Wirtschaft in der EU, wie es Artikel 3 des EU-Vertrags widerspiegelt, ist erforderlich, um das Vertrauen in die EU-Wirtschaft zu stärken und zu ihrer Stabilität sowie zu Wohlstand und Wohlergehen aller Bürger beizutragen. Obwohl bereits erhebliche Fortschritte auf dem Weg zur Vollendung der WWU erzielt wurden, sind wir nun irgendwo auf halbem Weg stehengeblieben. Wir müssen daran denken, dass Solidarität und Kompromissbereitschaft die Grundlage für eine positive Zukunft der WWU sind, so Frau Vorbach.

Zu den Empfehlungen des EWSA für eine starke, inklusive und widerstandsfähige WWU gehören:

  • Schaffung einer aus einem gemeinsamen Schuldtitel finanzierten Fiskalkapazität auf Ebene des Euro-Währungsgebiets zur Abfederung von Schocks;
  • Ausgewogenheit von angebots- und nachfrageseitigen Maßnahmen, was aktuell eine Aufwertung der Nachfrageseite bedeutet, durch die Sicherung der Kaufkraft und die Förderung von Investitionen;
  • Vollendung der Banken- und Kapitalmarktunion sowie Schaffung der Grundlagen für die vollständige Überwindung der Finanzkrise, auch unter Berücksichtigung der sozialen und ökologischen Auswirkungen der Regulierungen;
  • Festlegung sozialer Mindeststandards in den Mitgliedstaaten als spezifische Maßnahme zur Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte; und
  • verstärkte Einbindung des Europäischen Parlaments sowie der Sozialpartner und der Organisationen der Zivilgesellschaft in zentrale sozial- und wirtschaftspolitische Entscheidungen.

Um die Wirksamkeit von Maßnahmen zu gewährleisten, mit denen ein widerstandsfähigeres und nachhaltigeres Wirtschaftsmodell realisiert und faire Übergänge sowohl im Umwelt- als auch im Digitalbereich gewährleistet werden, sind ein verstärkter sozialer Dialog und Tarifverhandlungen sowie die Beteiligung der Zivilgesellschaft erforderlich.

In Bezug auf politische Maßnahmen zur Aufwärtskonvergenz ist der Ausschuss der Ansicht, dass Bildung und Ausbildung, F&E und Innovation gefördert werden müssen. Diese Maßnahmen können die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft stärken: Durch sie wird die Wirtschaft besser in der Lage sein, Produktivität und Lebensstandards auf nachhaltige Weise zu steigern, während gleichzeitig zu einer umweltfreundlichen und klimaneutralen Gestaltung der Wirtschaft beigetragen wird.

Darüber hinaus müssen sowohl öffentliche als auch private Investitionen intensiviert werden, um Wirtschaft, Arbeitsmarkt und Umwelt widerstandsfähiger und nachhaltiger zu gestalten und die Aufwärtskonvergenz und einen gerechten Übergang zu einem vollständig überarbeiteten Produktions- und Konsummodell zu fördern. Der Ausschuss fordert daher erneut, die im Rahmen des mehrjährigen Finanzrahmens 2021-2027 verfügbaren Finanzmittel auf 1,3 % des BNE der EU-27 zu erhöhen.

In Bezug auf die Umsetzung der EWSA-Empfehlungen sagte Herr Doz: Die europäischen Institutionen und die Mitgliedstaaten sollten Legislativ- und Steuerungsinstrumente wie das Europäische Semester und den mehrjährigen Finanzrahmen dazu nutzen, ein kohärentes Aktionsprogramm zu erarbeiten, mit dem die Schlüsselfaktoren für wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit und Konvergenz gefördert werden, wobei für eine angemessene Finanzierung gesorgt werden muss.

Schließlich werden in den Stellungnahmen des EWSA auch frühere Forderungen des Ausschusses nach einer Reform der geltenden Haushaltsregeln in Bezug auf öffentliche Investitionen, der Einrichtung einer sicheren gemeinsamen EU-Anlage und der Bekämpfung von unlauterem Steuerwettbewerb und Steuerhinterziehung bekräftigt. Diese Maßnahmen sind ebenfalls wichtige Elemente, die in die wirtschaftspolitische Agenda des neuen Europäischen Parlaments und der neuen Europäischen Kommission aufgenommen werden sollten.

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