Friede ist etwas, für das es sich jeden Tag zu kämpfen lohnt.
Die primäre Daseinsberechtigung der Europäischen Union ist seit jeher die Erhaltung des Friedens zwischen seinen Mitgliedern, und das seit über 70 Jahren. Ein weiteres zugkräftiges Argument für Europa ist die Rolle, die die Gemeinschaft bei der Zusammenführung der ehemaligen Ostblockstaaten mit dem Westen gespielt hat. Ohne die Union wäre dies in so kurzer Zeit niemals möglich gewesen. Die Europäische Union gibt den Menschen ein Zugehörigkeitsgefühl und nährt eine europäische Identität.
Friede darf jedoch nicht als selbstverständlich angesehen werden und Krieg ist die schrecklichste Erfahrung, die ein Mensch machen kann. Für Menschen, die wie ich in den 1960er Jahren geboren wurden, ist der Krieg nach wie vor sehr präsent. Wir erinnern uns an die Geschichten unserer Groß- und Urgroßeltern, die uns von den Grausamkeiten des Krieges berichteten, und die Geschichten unserer Eltern über ihre Armut in der Nachkriegszeit, die uns das beschämende Gefühl gaben, im Vergleich zu ihnen unglaublich privilegiert zu sein. Wenn wir nicht zur Schule gehen wollten, sagten sie uns, wie sehr sie sich eine Ausbildung wie die unsere gewünscht hätten.
Zwei Generationen hat es gedauert, unser heutiges Europa zu errichten. Nun profitieren alle – in unterschiedlichem Maße – von seinen Vorteilen.
Krieg scheint heute in der Europäischen Union nur noch schwer möglich. Und dennoch kann die Möglichkeit eines Krieges nie vollkommen ausgeschlossen werden. Krieg bricht nicht aus heiterem Himmel aus. Wir brauchen nur in unsere Vergangenheit zu blicken, in der die Finanzkrise der 1930er Jahre die Weltwirtschaftskrise auslöste und Millionen von Menschen in die Armut riss, woraufhin die Nazis ihre Chance nutzten und die Juden für alles verantwortlich machten. Jegliche Ähnlichkeit mit aktuellen Vorkommnissen macht... nun ja, nachdenklich.
Friede ist zerbrechlich. Armut, oder die Angst davor, kann Menschen für die trügerischen Botschaften von Volksverführern empfänglich machen.
Es ist unser aller Pflicht, diesen Demagogen und Rassisten die Stirn zu bieten, ihre Behauptungen zu entkräften, aber auch effektive Lösungen für die uns bevorstehenden Herausforderungen bereit zu haben, die die Digitalisierung, Robotisierung, Migration und der Klimawandel mit sich bringen.
Um Lösungen zu finden, bedarf es einer Kompromisskultur. Teil des Kompromissfindungsprozesses ist es, miteinander zu sprechen und einander zuzuhören, den Standpunkt des anderen zu verstehen und auf Argumente mit besseren Gegenargumenten zu antworten, aber auch, Zugeständnisse zu machen.
Im Ausschuss steht der Kompromiss im Mittelpunkt unserer Arbeit. Dadurch wird gewährleistet, dass die Ansichten und Anliegen aller Bürgerinnen und Bürger – Arbeitgeber und Arbeitnehmer – berücksichtigt werden.
Auch die Politiker in den Mitgliedstaaten sowie auf EU-Ebene müssen fördern, was verbindet, nicht, was trennt, und Kompromisse suchen, die für ihre Länder und die EU annehmbar sind. Dies erfordert eine Kultur des gegenseitigen Respekts und die Achtung europäischer Werte.
Ich bin überzeugt, dass wir gute Kompromisse erzielen können, die mit unseren europäischen Werten im Einklang stehen, sei es im Hinblick auf EU-interne Themen, unsere Nachbarschaftspolitik oder unsere Position in der Welt.
Ohne Frieden gibt es kein Wachstum, und ohne Wachstum keine nachhaltige Entwicklung. Lassen Sie uns den Frieden nicht als Selbstverständlichkeit betrachten, sondern gemeinsam an seinem Erhalt arbeiten, indem wir Brücken schlagen: Ein Leben in Frieden ist ein Gewinn für alle.
Luca Jahier
Präsident des EWSA
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